Ein Eichelhäuschen zeichnen

Tutorial: Nusshäuschen


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Es war schon Herbst geworden und der Wind erzählte Geschichten vom Schwinden der Farben und dem Verfall des Lichts, rüttelte an Fassaden und Baumkronen, zerrte an ihren letzten Blättern. Ich saß an meinem Fenster und dachte an dieses Geistermädchen, das ich gelegentlich zeichnete. Jenes Mädchen mit den hohlen Augen und den dünnen Armen weiß in ihrer schwarz-weißen Landschaft nicht, dass im Herbst die Farbigkeit noch ein letztes Mal aufblüht, bevor sie für lange Zeit zu erlöscht. In der Welt des Geistermädchens bestimmt die Dunkelheit der Tage die Intensität der Grautöne. Ich tat dem Ort diese Tristesse an und dieses Mädchen muss jetzt damit leben. Der Himmel beschreibt dort eine immerwährende Nacht. Die grauen Wiesen werden nie saftgrün rascheln. Ein nie endender November ohne die Aussicht auf die Reinheit des Winters.

Ich sollte Mathilde, so lautet der Name des Geistermädchens, nicht immer in den düstersten Nuancen der Farblosigkeit ansiedeln, so dachte ich an jenem Herbsttag. Aber wie gelangt Freundlichkeit an diesen Ort? Für Buntkeit gäbe es dort keinen Platz, nein, gewiss nicht für Farben, wohl aber für andere Geschöpfe. Diese Geschöpfe würden in Schatten und Höhlen leben, im Nebel und Mondlicht hausen, Licht von Sternen sammeln und sich in schiefen Baracken, nebelverhangenen Burgen oder Eichelhäuschen verbergen. Wer sucht, der findet. Wer mit offenen Augen durch die Dunkelheit schreitet, stößt bald auf Licht. Und die Augen des Geistermädchens waren wahrlich groß.

Als Mathilde am Hügel westlich des großen Nebeltals Eicheln sammelte, stießt sie auf ein gänzlich unbekanntes, weißes Licht. Nein, ihr Ende war noch nicht gekommen und auch der Mond blieb diesmal hoch am Himmel haften, jenes weiße Licht entsprach anderer Natur, flammte mit einladender Wärme und flackerte wie eine weit entfernte Kerze. Als sie näher kam und neugierig durch die hoch aufragenden Wurzeln des gewaltigen Eichenbaums huschte, erkannte sie schon von weitem eine ungewöhlich große Eichel an einem kleinem Strauch glimmen. Jenen gewaltigen Eichenbaum hatte sie schnell hinter sich gelassen, kaum beachtet, obwohl seine Größe doch so imposant erschien, dass ein jeder in seinem Schatten verweilt und staunend hinaufgeblickt hätte. Mathilde aber hatte sich nur für das Licht interessiert, das in dieser großen Eichel an dem kleinen Strauch schimmerte. Rasch ging sie vorwärts. Vom Gras unter ihren Füßen staubte Grauheit. Als sie nah genug war, erkannte sie, dass nicht die Eichel selbst leuchtete, sondern das Licht aus kleinen Fenstern flackerte, die einen Einblick in ihr Inneres gewährten.

Der Schatten, mit dem der Mond sie beschenkt hatte, begleitete sie wortlos und schwieg fortwährend. So stand sie schweigend vor jenem Eichelhäuschen, durch dessen Fenstern Kerzenlicht flackerte. Ein leises Lied, das harmonisch das Rauschen des Windes untermalte, drang aus ihm hervor. Neugierig blinzelte sie durch die Scheiben, erkannte jedoch nichts. Zu hell flammte das Licht, zu empfindlich waren Mathildes Augen. Die andauernde Dunkelheit hatte ihre Augen unempfänglich für das Helle gemacht. Im Dunklen erkannte sie alles vortrefflich, doch im Hellen, rieb sie sich nur geblendet ihre großen Augen. Sie konnte auch gar nicht lange hineinschauen, zu sehr blendete das Flackern ihre Sinne. Traurig setzte sich nieder und schaute noch eine Weile auf das baumelnde Eichelhäuschen, bevor sie ihre Augen schloss und ihren Kopf senkte. Das Lied aus dem Inneren wurde von einer Mädchenstimme vorgetragen, die so schwach klang, dass sie nur zu hören war, wenn der Wind eine Atempause einlegte.

Als Mathilde die Augen wieder öffnete, bemerkte sie ein zweites, wesentlich kleineres Eichelhäuschen an dem Strauch hängen. Sie stand auf und berührte es zaghaft. Das Licht, das es ausstrahlte, funkelte zauberhaft und voller Wärme. Doch leider knickte der Ast, der die Eichel hielt, unmittelbar nach der Berührung ab. Das kleine Eichelhäuschen löste sich und wäre beinahe auf der Erde aufgeschlagen, hätte Mathilde nicht so flink reagiert. Sie fing die Eichel, aus deren Fenstern noch immer Wärme flackerte, und hielt sie behutsam in beiden Händen.

Ein Eichelhäuschen zeichnen Den weiteren Verlauf der Geschichte müsst ihr euch selbst ausmalen, denn dies hier ist die Szene, die ich mit Bleistiften eingefangen habe. Und jetzt erkläre euch, wie ich sie gezeichnet habe.

Fertige eine Skizze an.


Wenn du noch nicht weißt, wie dein Bild im Genaueren aussehen soll, skribbelst du am besten in paar Ideen und Entwürfe in dein Skizzenbuch oder auf einen Block.

Ein Eichelhäuschen zeichnen

Die eigentliche Zeichnung beginnst du mit einer Art Skizze. Auf dieser Vorzeichnung erkennst du schon jetzt die Umrisse der wichtigsten Motive:

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Das Bild abdunkeln


Weil ein solches Bild sehr düster werden muss, solltest du es schon jetzt abdunkeln. Hier bietet sich eine Kreuzschraffur an, die du auf das gesamte Bild anwendest.

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Bei einer Kreuzschraffur schraffierst du über eine Fläche in vier Richtungen: Waagerecht, senkrecht und beide diagonale Richtungen.

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Schraffiere über alle dunklen Bereiche mit einer Kreuzschraffur. Eine solche Schraffur eignet sich besonders, wenn du eine große, glatte, dunkle Fläche benötigst:

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Weil diese Schraffur noch ziemlich hässlich aussieht, muss ihr die Grobheit genommen werden. Dafür nimmst du ein sauberes Taschentuch und verreibst das Graphit mit mäßigem Druck:

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Achte darauf, alles gleichmässig zu verwischen, sodass nichts schmiert und keine Schlieren entstehen. Lass helle Bereiche bitte unberüht, sonst bekommst du später Probleme, falls du sie wieder aufhellen möchtest.

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Schraffiere erneut über die dunkelsten Stellen. Sie sollen richtig düster werden und benötigen viel Graphit. Große, dunkle Flächen erhältst du am besten, indem du immer abwechselnd schraffierst und verwischst. Trage keinesfalls in einem Schritt zu viel Graphit auf! Es würde beim Verwischen nur verschmieren.

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Verwische deine Zeichnung nochmals, sodass alles sauber und glatt aussieht. Sie Vorzeichnung geht dabei fast gänzlich verloren. Du musst sehr genau hinsehen, um die Striche noch zu erkennen. Der nächste Schritt kann daher nur sein, diese Striche nachzuziehen.
 

Das Motiv lebendiger gestalten


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Skizziere die Vorzeichnung nach und schraffiere über dunkle Bereiche. Dunkel sind immer dem Licht abgewandte Stellen aber auch die Seiten und Ränder der meisten Objekte. Die Struktur und einige Details der Eichel sollten nicht vergessen werden. Jetzt ist der richtige Moment, um Fensterrahmen, Dachschatten und Holzstrukturen der Oberfläche anzudeuten. Skizzen reichen zunächst. Schraffiere die Ränder der großen Eichel dunkel, wie du es bei einem Ball machen würdest, damit sie später rund und plastisch erscheint. In diesem Schritt habe ich auch die Vorzeichnung des Geistermädchens überzeichnet:

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Mathilde trägt einen Bastkorb, der einen leichten Schatten auf ihren Körper wirft. Es reicht, die Struktur des Korbes mit einfachen Linien anzudeuten. Im Inneren des Korbes liegen Eicheln, die wegen ihrer geringen Größe jedoch kaum erkennbar sind. Du benötigst hierfür einen sehr spitzen Bleistift mit dünner Mine. Die größere Eichel in Mathildes Händen verdunkelst du auf der Hinterseite, das Fenster lässt du einfach weiß. Mathildes Umrisse ziehst du mit einem spitzen Bleistift nach und schraffierst vorsichtig Schatten auf ihr Kleid. Auch Augenhöhlen und Haare können schraffiert und angedeutet werden.

Ein Eichelhäuschen zeichnen



Arbeite Kontraste heraus. Zeichne Dunkles dunkler und radiere Helles heller. Mit einem Radiergummistift radiere ich diejenige Seite des Strauches hell, die dem Licht / den Fenstern zugedreht ist. Die andere Seite wird nochmals mit einer Schraffur abgedunkelt. Das gleiche Vorgehen lässt sich auch auf die kleinen Eicheln und Blätter des Strauches adaptieren. So erhältst du eine schönes, plastisches Erscheinungsbild des Strauches. Auf dem Bild siehst du, was ich meine. Radiere alles hell, was vom Licht angestrahlt wird. Die Gegenseite schraffierst du dunkel.

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Bei der großen Eichel radierst du Bereiche in unmittelbarer Nähe des Fensters hell. Sie werden vom Licht angestrahlt und müssen deshalb richtig hell sein. Zu diesem Zeitpunkt bietet es sich auch an, die Dachstruktur einzuzeichnen.

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Hebe die Unterschiede zwischen den hellen und dunklen Bereiche noch deutlicher hervor. Verdunkle Blätter und Details, die bisher unbeachtet geblieben sind. Zeichne schmaler werdende Adern, die von der Mitte nach außen laufen, in die größeren Blätter.

Um das Bild stimmungsvoller zu gestalten, benötigen wir noch einen dramatischen Schatten oder Lichteffekt. Weil das Geistermädchen vor dem hellen Fenster steht, wirft es zufälligerweise einen solchen Schatten. Aber auch die größeren Eichenblätter wuchern geradewegs ins Licht und verdunkle die Wiese, aus der sie wachsen. Schraffiere ihre Schatten ins Bild. Auf der folgenden Grafik erkennst du den Fluss des Lichts:

Ein Eichelhäuschen zeichnen

Details einzeichnen


Das Licht bestimmt die Stimmung des Bildes. Weil jetzt alle Schatten und Lichtquellen ausreichend eingezeichnet sind, geht es mit der Feinarbeit weiter.

Beginne mit dem Eichelhäuschen:

Ein Eichelhäuschen zeichnen

Ich hatte mich beim Zeichnen dazu entschlossen, den unteren Teil des Häuschens mit Brettern zu gestalten. Sie können gern schief und planlos angenagelt sein, das verleiht dem Haus etwas Eigenes. Auch hier müssen Bereiche, die dem Licht zugewandt sind, wieder heller radiert werden, während die Gegenseite verdunkelt werden muss. Besonders hervorstehende Bretter werfen auch selbst Schatten, der eingezeichnet werden muss. Um das Glas in den runden Fenstern anzudeuten, habe ich dünne Striche an den Rändern gezeichnet. Auf diese Weise könntest du auch Spiegelungen andeuten.

Auf die Rückseite des Strauches habe ich kleine Kratzer gezeichnet, weil ich das interessanter finde als eine aalglatte Oberfläche.

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Weiter gehts mit dem Geistermädchen: Der Bereich zwischen Kopf und Schulter muss wegen den langen Haaren dunkel sein. Letzte Details, wie der Schlüssel an ihrem Korb, sollten jetzt den Weg ins Bild finden. Durch eine weitere Abdunkelung der Augen erhalten die Augenhöhlen noch mehr Tiefe.

Wiese zeichnest du mit kleinen, gebogenen Strichen. Wie viel Gräser du zeichnest, liegt bei dir. Um Steine und andere Unebenheiten anzudeuten, zeichnest du helle und dunkle Ellipsen nach eigenem Ermessen. Mit verzitterten, waagerechten Strichen lassen sich die Strukturen und Schatten der Erde und gut verbildlichen.

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Im letzten Schritt widmest du dich noch einmal allen Objekten, die noch nicht deinen Wünschen entsprechen und verstärkst deren Kontraste oder möbelst sie gegebenenfalls mit einigen Details auf.

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So habe ich das Licht des rechten Fensters dramatisiert, indem ich Lichtstrahlen einradiert habe. Vielleicht war das auch etwas zu viel des Guten. Wie ich gerade sehe, scheine ich das beim linken Fenster vergessen zu haben. Nun ja, zu spät. Was fehlt dem Bild jetzt noch? Na klar: Aus dem Schornstein muss Rauch qualmen.

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Rauch zeichnest du nicht, du radierst ihn ins Bild! Rauch wirkt in der Nacht oft heller als der Himmel selbst. Er reflektiert Mondlicht oder den Schimmer diverser Lichtquellen und sollte deswegen auch hell ins Bild eingefügt werden. Um Rauch einzuradieren, muss die Fläche, über die er ziehen soll, vorher natürlich ausreichend dunkel sein. Ist sie das, nimmst du einen Radierstift und radierst willkürliche Schwaden in die grauen Bereiche. Mit einem normalen Radiergummi klappt das natürlich auch. Drücke nicht zu sehr auf und versuche es zunächst vorsichtig.

Wenn du mit allen Details zufrieden bist, hast du es auch geschafft. Das Bild ist fertig.

Ein Eichelhäuschen zeichnen

Ich hoffe, diese Anleitung hat dir gefallen.
Danke fürs Lesen!



 
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